Management

„Die Lust auf Fitness und Gesundheit ist überall zu spüren“

Aggregatoren haben in den vergangenen Jahren für die Fitness- und Gesundheitsstudios an Bedeutung gewonnen. Urban Sports Club ist einer der großen Player, der u. a. durch TV-Werbespots zum Sporttreiben animieren und zum verbesserten Image der Branche beitragen möchte.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Urban Sports Club ist eine Plattform, die mit Fitness-Studios, Sportvereinen und Anbietern von Gesundheits- und Entspannungsprogrammen kooperiert und es den Mitgliedern ermöglicht, an verschiedenen Partnerstandorten zu trainieren.
  • Mitgründer und CEO Benjamin Roth spricht darüber, welche konkreten Ziele das Unternehmen mit seinen Marketing-Kampagnen verfolgt.
  • Er erklärt außerdem, warum viele Betreiber Aggregatoren kritisch sehen und wie die Zukunftspläne von Urban Sports Club aussehen.

BODYMEDIA: Immer mehr Studios in Deutschland setzen auf die Zusammenarbeit mit Aggregatoren. Warum wird sich dieser Trend in Zukunft fortsetzen?

Benjamin Roth: Mittlerweile gibt es seit über zehn Jahren Plattformen im Sport- und Fitnessbereich in Deutschland. Früher gab es bei manchen Betreibern und Studioinhaberinnen vielleicht erst einmal Befremden über dieses neue Modell. Über die Zeit hat sich das gelegt. Inzwischen gehören wir zum Fitness-Ökosystem ganz natürlich dazu. Ähnlich ging es den Discountern am Anfang.

Die positiven Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit uns haben sich aber herumgesprochen. Fast alle Ketten arbeiten inzwischen mit einem oder mehreren Aggregatoren zusammen.

Das Geschäftsmodell von Urban Sports Club haben wir entlang der bekannten Mega-Trends erschaffen und entwickelt: New Work, Mobilität, Gesundheit, aber auch Konnektivität und Individualisierung. Diese Trends wirken sich auf immer breitere Schichten der Gesellschaft aus. Immer mehr Partner erkennen durch diese Trends den klaren Mehrwert der Kooperation mit Urban Sports Club: Wir erhöhen die Reichweite und Bekanntheit unserer Partner.

Allein im vierten Quartal 2021 investieren wir mehr als 10 Millionen Euro in Online-Marketing, TV und klassische Außenwerbung in Deutschland, um Menschen zum Sport zu motivieren. Zudem erhöhen wir die Umsätze unserer Partner. Durch die Kooperation kommen mehr Menschen in die Studios, deren Besuche wir den Partnern zentral vergüten.

Mit unserem bundesweit und europaweit agierenden Salesteam kümmern wir uns um den langwierigen Firmenfitnessvertrieb. Wir haben bereits über 2.000 Unternehmen im Portfolio, die den Sport und die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden fördern. Es gibt außerdem keine Grundgebühr für unsere Partner, daher sind die genannten Leistungen für sie kostenfrei. Zudem tragen wir das komplette Risiko bei Zahlungsausfällen durch Mitglieder.


Benjamin Roth (r.) hat 2012 gemeinsam mit Moritz Kreppel Urban Sports Club gegründet (Bildquelle: Urban Sports Club)

BODYMEDIA: Der ein oder andere Clubbetreiber ist der Meinung, Aggregatoren würden die Clubs Mitglieder kosten. Warum ist das nicht so und wie entgegnen Sie Kritikern?

Benjamin Roth: Natürlich kommt es vor, dass ein Mitglied von einem Studio zu einer Plattform oder anderen Anbietern wechselt. Genauso wie es auch in die andere Richtung geht. Unsere Erfahrung und das Feedback unserer Bestandspartner zeigen, dass die große Mehrheit der Menschen, die wir in die Clubs bringen, vorher noch nie dort waren.

Wichtig ist immer, das Ziel der Kooperation vor Augen zu führen. Viele Studios wollen bekannter werden, wollen mehr Besuche, höhere Umsätze oder wollen mit uns ihre Expansion befeuern. An diesen Zielen lassen wir uns in der Kooperation messen. Denn nur wenn wir gemeinsam am gleichen Strang ziehen, können wir eine langfristige und nachhaltige Partnerschaft erreichen.

Übrigens ein wichtiger Hebel, der hilft: Urban Sports Club stellt sicher, dass das Modell die Gruppe der Sporttreibenden in den Clubs durch klare Grundvoraussetzungen erweitert. Erstens kostet eine Mitgliedschaft bei Urban Sports Club immer mehr als direkt im Studio. Zweitens bezahlen Mitglieder, die nur einen Club nutzen, bei Urban Sports mehr als direkt im Studio. Das ist ein guter Indikator.

BODYMEDIA: Seit einiger Zeit sind im TV Werbespots von Urban Sports Club zu sehen. Welche konkreten Ziele verfolgen Sie damit und sind Ihre Pläne bis dato aufgegangen?

Benjamin Roth: Wir wollen die Menschen aktivieren und zurück in die Studios bringen. Es ergab im ersten Halbjahr wenig Sinn, groß zu werben. Jetzt ist aber der richtige Zeitpunkt, Marketingmaßnahmen zu ergreifen, um die Menschen zu aktivieren, ihnen dabei zu helfen, die über Corona zugelegten Kilos zu verlieren und sie über den Sport wieder zusammenzubringen.

Wir haben uns entschieden, dieses Mal sogar zwei verschiedene TV-Spots parallel laufen zu lassen. Mit unserem klassischen TV-Spot wollen wir die Lust am Sport wecken und vor allem die Bekanntheit bei denen erhöhen, die auf dem Sofa sitzen und noch gar nicht aktiv sind. Unser neuer B2B-Spot soll Mitarbeitende motivieren, ihre Arbeitgebenden nach Firmenfitness-Angeboten zu fragen.


Die Zentrale von Urban Sports Club in Berlin (Bildquelle: Urban Sports Club)

BODYMEDIA: Ende Juni hat Urban Sports Club in einer Finanzierungsrunde mehr als 80 Millionen von der ProSiebenSat1. Group erhalten. Für welche Bereiche wurden und werden Sie dieses Geld einsetzen? Wie sehen die konkreten Pläne für die nächsten Jahre aus?

Benjamin Roth: Wir investieren in Marketing und langfristige TV-Kampagnen, die auch im nächsten Jahr fortgesetzt werden. Das Mediavolumen kommt daher auch unseren Partnerinnen und Partnern zugute. Es geht uns um Wachstum in unseren Bestandsmärkten in Europa. Der größte Teil davon geht nach Deutschland, danach kommen die Niederlande, wo wir als Gruppe mit OneFit aktiv sind. Außerdem sind Investitionen in unsere Technologie geplant, um Mitglieder datenbasiert dabei zu unterstützen, die für sie idealen Sportangebote der Partner zu finden. Das bedeutet für die Clubs dann auch wieder neue Besuche.

BODYMEDIA: Firmenfitness ist eines der Themen, die bei Urban Sports Club im Fokus stehen. Warum stufen Sie diesen Bereich als so wichtig ein und inwiefern spiegelt sich das im Unternehmen wider?

Benjamin Roth: Wir bieten eine Lösung für Trends und Herausforderungen, die der gesellschaftliche Wandel mit sich bringt. Dazu gehören Individualisierung und eine hybride Arbeitswelt. Eine Firmenfitness-Mitgliedschaft soll zum Standard-Benefit werden. Die Nachfrage der Unternehmen ist ungebrochen und wurde 2020/21 sogar beschleunigt.

Gesundheit im Unternehmen und das Reduzieren von Fehltagen durch Krankheit sind ein Thema für Unternehmen jeder Größe. Psychische Erkrankungen sind der zweithäufigste Grund für Fehltage am Arbeitsplatz und Krankschreibungen in Deutschland. Wenn man sich den Fehlzeiten-Report 2021 der AOK anschaut, sieht man, dass mehr als ein Fünftel der Fehlzeiten der AOK-versicherten Arbeitnehmenden auf Muskel- und Skeletterkrankungen zurückzuführen sind, an zweiter Stelle folgen die psychischen Erkrankungen mit 12 %.

Wir setzen uns dafür ein, dass die Firmen verstehen, wie sozial und gesundheitsrelevant Sport ist und dass Ausdauer- und Kraftsport ebenso wie Yoga funktionieren – Hauptsache, die Menschen tun etwas. Da wir ein sehr breites Angebot mit über 50 Sportarten und Entspannungsangeboten in der Mitgliedschaft haben, ist das für Firmen ein sehr gutes Argument, in ihre Belegschaft und die Gesundheit zu investieren. Auch hier streben wir langfristige Partnerschaften an.

Arbeitgebende sehen den Vorteil von Urban Sports Club, sie möchten ihren Mitarbeitenden und sich selbst gleichzeitig etwas Gutes tun. Beim Recruiting profitieren sie in ihren Stellenanzeigen von unserer Brand, wenn sie mit der Mitgliedschaft als Benefit werben – und damit auch im Bereich Employer Branding.

BODYMEDIA: Wie hoch ist derzeit der Anteil an Firmenfitness-Kunden? Warum ist es Ihrer Meinung nach wahrscheinlich, dass dieser Bereich zukünftig weiter wächst?

Benjamin Roth: Der Anteil an Firmen- und B2C-Mitgliedern ist aktuell ziemlich genau halb-halb. Der Firmenbereich ist im August stärker gewachsen als das Geschäft mit Endkundinnen und -kunden. Dieser Trend setzte sich im Herbst fort. Wir bauen auch die Produkte für Firmen aus, z. B. durch ein neues Portal, in dem die Firmen die Mitgliedschaften selbst verwalten können. Außerdem wird es einen massiven Ausbau unserer Sales-Einheit in Deutschland geben, um noch mehr Unternehmen von Firmenfitness zu überzeugen.

BODYMEDIA: Fitnessstudios mussten auf die Corona-Pandemie reagieren und haben u. a. Online-Angebote in ihr Portfolio aufgenommen. Welche Veränderungen hat Corona bei Urban Sports Club hervorgerufen und wie zufrieden sind Sie mit der Umsetzung und den Ergebnissen der ergriffenen Maßnahmen?

Benjamin Roth: Die Livestream-Kurse unserer Partner sind für uns ein wichtiger Bestandteil geworden. Allgemein ist der Online-Teil unseres Produkts mit Video-on-Demand und neuen Formaten, die wir auf den Markt bringen wollen, aber nur Ergänzung und kein Ersatz für die Besuche vor Ort. Wir sehen, dass die Online-Nutzung sich bei ca. 10–15 % einpendelt. Das variiert je nach Jahreszeit und Land. Die Mehrheit lässt sich bisher allerdings nicht von Online-Angeboten allein motivieren. Aktuell sind es hauptsächlich die sehr motivierten und tendenziell performance-orientierten Menschen, die Livestream-Kurse als Zusatz von zu Hause aus oder auf Reisen machen.

Interessant zu sehen ist, dass es über 80 % Frauen sind, die die Live-Online-Kurse nutzen. Yoga-, Fitness-, Pilates- und Tanz-Kurse spielen hier eine große Rolle. Wichtig ist Online für uns auch im Firmensegment: Menschen arbeiten jetzt schon, und in der Zukunft vermehrt, mit hybriden Arbeitsmodellen von überall aus. Mit uns finden die Mitarbeitenden hybride Sportmöglichkeiten mit Training vor Ort oder eben online, wenn entweder der Weg ins Studio zu weit ist oder sie auf bestimmte Trainerinnen und Lehrer auf Reisen nicht verzichten wollen. Das erwarten die Firmen von uns.


Urban Sports Club hat über 2.000 Unternehmen im Portfolio, die den Sport und die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden fördern (Bildquelle: Urban Sports Club)

BODYMEDIA: Die Mitgliederzahlen sind in den deutschen Studios aufgrund der Corona-Pandemie stark gesunken. Mitgliederrück- bzw. -neugewinnung hat dementsprechend für alle Betreiber höchste Priorität. Inwieweit profitiert Urban Sports Club von dieser Situation?

Benjamin Roth: Auch wir haben in der Pandemie viele Mitglieder verloren. Da sitzen wir alle in einem Boot. Unser Vorteil ist aber, dass die Rückgewinnung recht schnell gehen wird. Bereits jetzt sind viele unserer Partner wieder auf dem Auszahlungsniveau von 2019.

Die aktuellen Trends helfen unserem hybriden Sport-Modell: Remote Work, Individualisierung und der Wunsch nach Flexibilität. Viele Betreiber:innen kommen gerade bei Urban Sports neu dazu, wie unter anderem die JONNY M. Fitness Clubs, PRIME TIME fitness oder Rocycle aus dem Indoor-Cycling-bereich. Sie nehmen durch eine Kooperation mit uns eine Abkürzung, um schnell zu alten Umsatzniveaus zu kommen.

BODYMEDIA: Für die Fitness- und Gesundheitsbranche ist es eine schwierige Zeit. Warum schauen Sie dennoch optimistisch in die Zukunft?

Benjamin Roth: Es ist eine wirklich schwierige Zeit. Dennoch gibt uns das Ende des Lockdowns viel Energie. Die Lust auf Fitness und Gesundheit ist überall zu spüren. Die Branche transformiert sich zu einer datengetriebenen Fitnessbranche, die die Gesundheit der Menschen in den absoluten Mittelpunkt stellt.

Bei dieser Entwicklung werden wir einen großen Beitrag leisten und unseren Partnern mittels der Daten helfen, ihre Angebote weiter zu optimieren. Dieser Branche steht eine aufregende Zukunft bevor. Und mit unseren großen Investitionen in Marketing wollen wir nicht nur uns, sondern allen zeigen: Es geht aufwärts!

BODYMEDIA: Vielen Dank für das Interview.

 

Bildquelle: Urban Sports Club

Die Autoren

  • Constantin Wilser

    Constantin Wilser ist seit 2006 in der Fitnessbranche als Redakteur tätig. Davor absolvierte er sein Bachelor-Studium der Sportwissenschaften am KIT in Karlsruhe. Seit 2019 ist er Bestandteil des BODYMEDIA-Redaktionsteams. Seit Anfang 2023 ist er Chefredakteur. In seiner Freizeit trainiert der Fußball-Fan gerne im Studio, geht laufen oder fiebert im Fußball-Stadion mit.

  • Benjamin Roth

    Benjamin Roth ist Mitgründer und CEO von Urban Sports Club, dem führenden Anbieter für flexible Sport- und Wellness-Mitgliedschaften in Europa mit Hauptsitz in Berlin. Sein erstes Sports-Tech-Start-up baute er 2009 nach mehreren Jahren in der Beratung auf. Sein zweites, anfangs eigenfinanziertes Start-up Urban Sports Club gründete er gemeinsam mit Moritz Kreppel im Jahr 2012. Ihr Ziel dabei war und ist, Menschen über das größte und flexibelste Angebot zum Sport zu motivieren und sie damit zu einem gesunden, aktiven Lebensstil zu inspirieren. Benjamin Roth verfügt über mehr als 15 Jahre Expertise in den Bereichen Unternehmensgründung und Consulting.

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