Ernährung

Sind Ernährungskonzepte in Fitness-Clubs wirklich notwendig?

Der Themenkomplex Ernährung gehört mittlerweile zu unserer Branche wie das Krafttraining oder die Sauna nach dem Workout. Im Markt gibt es unterschiedliche Konzepte von low-carb über low-fat bis hin zu Paleo – und alle versprechen Erfolge. Unser Gastautor Peter Hinojal stellt sich allerdings die Frage, ob ein Programm tatsächlich zu allen Mitgliedern passt. Hier seine Antwort.

Dass Training alleine unsere Kunden nicht an ihre Ziele bringt, ist nichts Neues. Nur wie soll man den Durchblick bewahren bei all den Ernährungskonzepten, die es in Deutschland gibt. Low-carb oder doch low-fat, ketogen oder vegan, das Thema wird immer verwirrender. Nicht nur der Kunde ist verwirrt, auch unsere Trainer sind in den letzten Jahrzehnten immer wieder mit neuen Systemen und Trends in Berührung gekommen. Welchem Konzept soll man denn nun glauben? Drei Mahlzeiten, vier Mahlzeiten, fünf Mahlzeiten, maximal 1.000 Kalorien, dem nächsten Konzept sind die Kalorien egal, solange 16 Stunden gefastet wird. Die traurige Wahrheit: Jedes Konzept hat seine Existenzberechtigung und jeder wird mit seinem Konzept auch bei einer gewissen Zielgruppe Erfolg haben. Das, was wir endlich verstehen müssen, ist, dass nicht ein Konzept die Lösung für all unsere Kunden sein kann. 

An die Situation angepasst
Diese Ansicht wird von vielen sicherlich eher weniger geteilt. Low-carb-Jünger bspw. sehen Kohlenhydrate grundsätzlich als das personifizierte Böse. Low-fat-Propheten hingegen sehen im Fett die Wurzel allen Übels und beide haben recht, aber irgendwie auch nicht. Denn beide Seiten werden Studien vorweisen können, die belegen, dass Menschen mit ihrer bevorzugten Ernährungsform schlank und gesünder wurden. Und beide Konzepte haben eine Zielgruppe. Illustrieren wir das mal an einem Beispiel. 

Nehmen wir einen Kunden und nennen wir ihn Markus Müller, er ist 45 Jahre alt und 1,75 m groß. Sein Gewicht beläuft sich derzeit auf 98 kg, sein Bauchumfang auf 108 cm und er hat einen Körperfettanteil von 36 %. Erschreckende Werte, aber im heutigen Fitness-Studio-Alltag keine Seltenheit. Bei diesen Werten wird die Leber mit hoher Wahrscheinlichkeit schon sehr viel Fett abgespeichert haben, ab 5–10 % Fett des Lebergewichts spricht man von einer nicht alkoholischen Fettleber. Die Insulinsensitivität wird ebenfalls nicht mehr optimal sein, eventuell liegt schon eine Insulinresistenz vor. Der erhöhte Bauchumfang weist auf ein hohes Maß an viszeralem Bauchfett hin, vielleicht haben wir sogar noch die Messwerte einer Inbody oder einer anderen Bioimpedanzmessung unseres Kunden vorliegen. In diesem Fall kann es Sinn machen, diesen Kunden auf eine Low-carb-Ernährung mit Kalorienrestriktion und einem limitierten Zeitfenster, zum Beispiel 12 h Nahrungsaufnahme/12 h fasten oder sogar 8 h Nahrungsaufnahme/16 Stunden fasten zu setzen. Man kann es auch über die Mahlzeitenanzahl regeln. 


Optimalerweise passt man das an den Tag-Nacht-Zyklus an. Ist der Kunde wieder bei gesünderen Parametern, muss er sich nicht sein Leben lang exakt so ernähren, aber um ihn aus dieser Phase heraus zu holen, gilt es, den Kunden optimal zu betreuen und während der Abnehmphase ihm das Wissen zu vermitteln und mit einem Coaching seinen wahren Gründen und Verhaltensmustern auf den Grund zu gehen.

 

 

Nehmen wir einen anderen Kunden, den Bruder von Markus Müller, Matthias Müller, 39 Jahre, 175 cm groß. Er wiegt 80 kg, hat einen Bauchumfang von 83 cm und einen Körperfettanteil von 12 %. Der BMI sagt leichtes Übergewicht. Der Bauchumfang ist weit weg von den als Risikogruppe einzustufenden >98 cm, sein Körperfett ist gering, damit sein Muskelanteil hoch, das hebelt den einzigen negativen Marker, den BMI bei ihm wieder aus. Sein Wunsch ist es, ein wirklich deutliches Sixpack zu bekommen, was wahrscheinlich -5 kg oder -2 % Körperfett bei ihm bedeutet. Er trainiert fünfmal die Woche intensiv, an manchen Tagen sogar zweimal. Ist für ihn die gleiche Strategie wie für seinen Bruder notwendig? Wohl kaum. Leichte Anpassungen in den Makronährstoffen und in der Gesamtkalorienzahl, Eiweiß auf 2,5 g pro kg fettfreie Masse, Zucker und Weißmehl sind tabu, dafür Kohlenhydrate über Haferflocken, Gemüse und etwas Obst und eher weniger Fett in seiner Ernährung und er wird sein Ziel erreichen. Sein generelles Ernährungsverhalten kann nicht so verkehrt sein, denn sonst wären seine Werte nicht so gut, wie sie bereits zu Beginn sind. Was für den einen optimal ist, kann für den anderen ungesund sein. Was im Alter von 20 gesund für uns ist, kann im Alter von 60 unter gewissen Voraussetzungen suboptimal sein. Deshalb bin ich der Meinung, wir benötigen nicht ein Ernährungskonzept im Fitness-Studio, wir benötigen mehrere. 

Gute Beratung ist Trumpf!
Eine ordentliche Messung und Anamnese sind die Grundvoraussetzung, um den Kunden an einem bestimmen Programm mitmachen zu lassen. Man benötigt Konzepte, um stark übergewichtige Menschen wieder in ein normales gesundes Ernährungs- und Bewegungsmuster zurückzuholen. Und man benötigt Konzepte, um den Menschen, die aus rein optischen Gründen ihre Figur verbessern wollen, ein zufriedenstellendes Ergebnis zu liefern. Die eine Gruppe benötigt deutlich mehr Unterstützung und Coaching, die andere weniger. Die eine Gruppe braucht mehr Fachwissen des Trainers, die andere vermutlich weniger davon.

Einer erfolgreichen Empfehlung muss eine gute Anamnese vorausgehen:

  • Bioimpedanzmessung / Calipper (Körperfett, fettfreie Masse, viszerales Fett, Flüssigkeit, Verteilung von Muskelmasse, BMI …)
  • Umfangmessung am Bauchnabel
  • Vorerkrankungen
  • Medikamente
  • Ziele 
  • Ernährungsprotokoll (evtl. Smartphone-APP)


Ernährung ist eine sehr individuelle Angelegenheit – deshalb ist eine persönliche Betreuung nötig, um die Mitglieder erfolgreich zu machen

 

Aus den Ergebnissen erfolgt eine Klassifizierung der Kunden für Programm A, B, C oder D (je nach Angebot). Darauf folgen eine 45-minütige Coachingsession mit dem Kunden zur Erläuterung, warum dieser sich für das empfohlene Programm entscheiden sollte, und die Erstellung eines Aktionsplans für den Kunden. Bei den Kontrollterminen können Erfolge sichtbar gemacht und ggfs. Korrekturen vorgenommen werden. Der zweite Coachingtermin dauert dann nur noch 25 Minuten und wird genutzt, um die Kunden auf eventuell aufkommende Herausforderungen wie Motivationstiefs hinzuweisen und ihnen Lösungsstrategien an die Hand zu geben.

Ziele ändern sich im Laufe der Zeit. Das heißt regelmäßige Check-ups und weitere Coachingsessions machen Sinn, um den Kunden langfristig erfolgreich zu machen. Events wie Fach- oder Motivationsvorträge, Kochshows oder aber auch Gruppenevents (30 Tage Ernährung und Training in der Gruppe) sind alles Maßnahmen, um das Thema Ernährung immer wieder präsent im Fitness-Club zu haben. Sie sind damit Teile des Puzzles, um das Thema erfolgreich zu etablieren. Youtube, Social Media, Ernährungsblog, auch hier sollte im Marketingplan in jeder Woche ein Posting zum Thema Ernährung platziert werden. 

Unbedingt Testimonials einsetzen!
Wie bei keinem anderen Thema ist das Storytelling über erfolgreiche Mitglieder ein Schlüssel zur Positionierung als Experte im BereichErnährung. Denn der Erfolg der Kunden ist messbar und vor allem sichtbar. Die Kernkompetenz der Trainer bleibt das Training. Wir benötigen die Spezialisierung im Trainingsbereich. Wir benötigen die Spezialisierung des Ernährungcoaches ebenfalls im Fitness-Studio. Je nach Größe des Fitness-Studios werden zwei bis vier Personen zum Experten und zu den Verantwortlichen in diesem Bereich nötig sein. Coachen kann man lernen und hier benötigt der Mitarbeiter Zeit, sich zu entwickeln. Gelernte Coachingtechniken müssen die Mitarbeiter in der Praxis ausprobieren können und mit Routine und Erfahrung werden die Mitarbeiter zu tragenden Säulen des Unternehmens. Erfolgreiche Mitarbeiter sind zufriedene Mitarbeiter und sie machen erfolgreiche Mitglieder – und was machen die? Genau, die kündigen nicht so schnell. 

 

Quellen
Header: George Dolgikh- stock.adobe.com
Bild 2: WavebreakmediaMicro - stock.adobe.com
Bild 3: Peter Atkins- stock.adobe.com

Der Autor

  • Peter Hinojal

    Als internationaler Referent, Ausbilder, oder als Keynote-Speaker, begeisterte er immer wieder seine Zuhörer! Fitness- und Gesundheitscenter, aber auch renommierte Unternehmen wie Banken oder Bauunternehmungen, gehören zu seinen Kunden. Mit seinem Vortrag ArtGerecht – nie wieder Diät erreichte er bereits über 70.000 Teilnehmer. Jahrzehnte lange Erfahrung als Fitnesscoach, Personaltrainer, Autor, Ernährungscoach & Schulungsleiter, lassen ihn die Sorgen und Ängste der Teilnehmer verstehen. Peter Hinojal ist der Bewußtmacher unter den Ernährungsexperten.

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