Ernährung

Ernährungsberatung als Profit-Center

Die richtige Ernährung kann bei der Behandlung von Patienten eine große Rolle in der Heilung spielen. Trotzdem betrachten viele Physiopraxen diese Komponente noch recht wenig. Dabei kann es den Heilungsprozess beschleunigen und sogar die Wirtschaftlichkeit der Praxis steigern.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Wer früh anfängt, auf seine Ernährung zu achten, kann viele chronische Krankheiten vermeiden.
  • Auch bei der Genesung können unterstützende Ernährungstherapien den Patienten durchaus helfen.
  • Ernährungsbreatung lässt sich als 1:1- oder Gruppen-Ernährungsberatung sowie als zertifizierter Kurs der Krankenkassen umsetzen.
  • Die Einführung eines Profit-Centers im Bereich Ernährung ist zwar aufwändig, lohnt sich aber finanziell als auch therapeutisch.

Das Thema Ernährung findet in den physiotherapeutischen Behandlungen nach wie vor sehr selten statt – und das obwohl immer mehr wissenschaftliche Erkenntnisse darauf hindeuten, dass die Ernährung bei der Heilung eine wichtige Rolle spielt. Sei es nun bei offensichtlich übergewichtigen Patienten, die eine Reduktionsdiät durchführen sollten, oder aber bei chronischen Schmerzpatienten, die ihr Schmerzmanagement hiermit verbessern können.

Grund dafür ist sicherlich, dass viele Therapeuten zu wenig Fachkenntnisse bei der Ernährungsberatung haben und sich daher mit fundierten Tipps zurückhalten. Einerseits ist das wichtig, damit nicht eigene Vorstellungen von Ernährung auf den Patienten projiziert werden, andererseits ist es eine verpasste Chance, Patienten ganzheitlich zu betreuen und mit dieser Mehrleistung auch Geld zu verdienen. Wir schauen uns an, was die Ernährung überhaupt leisten kann, was man für die Umsetzung einer Ernährungsberatung braucht und letztlich, wie man ein Profit-Center daraus entwickelt.

Offensichtliche Ernährungsfehler

Viele Probleme, mit denen Patienten in eine Physiopraxis kommen, sind nur Symptome eines mehr oder weniger ungesunden Lebensstils – insbesondere von Inaktivität über einen sehr langen Zeitraum. Aber auch der stetige Anstieg von Übergewicht (2/3 der Männer, 50 % der Frauen) trägt seinen Teil dazu bei. Die Lösungen hierfür sind eigentlich offensichtlich: Inaktive müssen deutlich aktiver werden, um Muskulatur und Skelett zu stärken, und Übergewichtige sollten zurück zum Normalgewicht geführt werden.

Für den Physiotherapeuten sind die Ursachen und die notwendigen Maßnahmen meistens offensichtlich. Häufig genug kann er sie aber nicht durchführen, da fundiertes Wissen und nötige Ausrüstung fehlen. Viel entscheidender aber ist, dass der Patient nicht zum Therapeuten kommt, um die Ursache beheben zu lassen, sondern die Symptome zu bekämpfen. Selbst wenn der Therapeut das schafft, weiß er, dass man sich spätestens in einem halben Jahr wiedersieht – mit denselben oder ähnlichen Problemen.


Wer früh mit einer gesunden Ernährung anfängt, kann manchen chronischen Krankheiten vorbeugen. Aber auch später kann sie noch einen wichtigen Beitrag leisten (Bildquelle: © marrakeshh - stock.adobe.com)

Häufig genug empfehlen Therapeuten eine Ernährungsumstellung, um die Probleme in den Griff zu bekommen, haben aber wenig langfristige Einwirkungsmöglichkeit auf den Patienten. Das hängt sicherlich auch mit der wahrgenommenen Rolle des Therapeuten als Problemlöser ohne Zutun des Patienten zusammen. Hier müsste man Therapeuten mehr Handlungsmöglichkeiten geben, um sie zu befähigen, ihre Patienten deutlich umfassender zu behandeln.

Wirkung entzündungshemmender Lebensmittel

Ein zweiter Punkt zur Förderung der Heilung bei Patienten ist der Einsatz von gewissen Makro- oder Mikronährstoffen zur Begleitung bei gewissen (chronischen) Krankheiten. Eine gute Ernährung sollte aus viel Obst und Gemüse, Ballaststoffen, ausreichend Eiweiß, gesunden Fetten, Nüssen, sowie wenig verarbeiteten Lebensmitteln, Transfettsäuren und raffiniertem Zucker bestehen. Zudem sollte unbedingt auf die Menge der Kalorien geachtet werden.

Wer früh anfängt, auf seine Ernährung zu achten, kann viele chronische Krankheiten vermeiden – geht dann folgerichtig aber auch nicht zum Arzt oder Therapeuten, um sich Hilfe zu holen. Daher wird man in Physiopraxen vor allem Menschen treffen, die Linderung ihrer Beschwerden suchen. Und hier KANN die Ernährung eingesetzt werden, man sollte zwar keine Wunder von ihr erwarten, aber unterstützende Ernährungstherapien können den Patienten durchaus helfen.

An dieser Stelle kann nicht auf jede Wirkung von Lebensmitteln eingegangen werden, daher werden nur einige Beispiele genannt, die verdeutlichen sollen, welchen Beitrag gewisse Nährstoffe leisten können.

Einer der relevantesten Auslöser für Probleme sind Entzündungen im Körper. Diese werden normalerweise mit Medikamenten im Zaum gehalten. Patienten nehmen damit aber gleichzeitig mehr oder weniger gravierende Nebenwirkungen in Kauf. Sicherlich nicht in gleichem Maße wirksam wie Diclofenac, Ibuprofen und Co., aber natürlichen Ursprungs sind Walnuss- und Leinöl, Zwiebeln, Zitrusfrüchte und Kreuzblütler wie Brokkoli oder Blumenkohl.

Deutlich offensichtlicher als Entzündungen sind da Hautverletzungen wie z. B. Verbrennungen, die Therapeuten behandeln. Studien konnten zeigen, dass die Wundheilung bei Patienten, die Glutamin und glutaminreiche Lebensmittel zu sich nahmen, verbessert war, da Glutamin, aber auch Arginin die Kollagenproduktion anregen.

An die Wundheilung schließt sich das Thema Narbenbildung ganz organisch an – hier kann Vitamin E bei der besseren Heilung unterstützen. Hierfür sind Zink und auch OPCs (oligomere Proanthocyanidine) gut geeignet. Man könnte diese Liste auch noch weiterführen, aber hier soll nur ein kleiner Einblick in die unterstützenden Möglichkeiten von Nährstoffen gegeben werden.

Interessant ist, dass die Versorgung mit diesen Nährstoffen bei einer gesunden Ernährung schon gegeben ist. Trotzdem kann es in manchen Fällen sinnvoll sein, auf unterstützende Nahrungsergänzungsmittel zurückzugreifen.

Ernährungskurse oder -beratung für Patienten?

Physiotherapeuten, die sich für das Thema Ernährung interessieren, können auf ein wachsendes Angebot von Kursen speziell für ihre Berufsgruppe zurückgreifen, um sich weiterzubilden. Mit dem erworbenen Wissen können sie Patienten unterstützen – die Erfahrung zeigt allerdings, dass das nicht nachhaltig für die Patienten ist.

Daher stellt sich die Frage, mit welchen Maßnahmen die Ernährungsberatung von Patienten professionalisiert werden kann. Die Erfahrung zeigt, dass es zwar eine große Zahl an Menschen gibt, die regelmäßige Ernährungsberatung in Anspruch nehmen, und noch mehr, die das auch nötig hätten, allerdings sind Physiotherapeuten nicht unbedingt diejenigen, die diese Personen auch ansprechen und für sich gewinnen.

Hinzu kommt, dass die Arbeitszeit der Therapeuten sehr wertvoll ist. Wer es richtig anpackt, kann den Wert durch die Ernährungsberatung zwar steigern – in Zeiten von vollen Wartezimmern und -listen scheint das aber wenig sinnvoll zu sein. Daher macht es Sinn, zu schauen, welche Möglichkeiten es noch so gibt.


Wer einen § 20 SGB V-zertifizierten Kurs anbieten möchte, benötigt einen Kursleiter mit qualifiziertem Abschluss (Bildquelle: © Graphicroyalty - stock.adobe.com)

Bleiben wir beim eben genannten Punkt, der 1:1- oder auch Gruppen-Ernährungsberatung durch einen Praxismitarbeiter. Für die Patienten/Kunden ist das eine sehr sinnhafte Einrichtung, die ihnen durch die intensive Beratung viel Mehrwert bietet. Optimalerweise ist der Berater eine Person, die sich im Bereich Ernährung(sberatung) weitergebildet hat. Diese kann die Dienstleistung direkt an die Patienten/Kunden verkaufen, um so der Praxis einen Mehrwert zu bieten.

Es könnte also theoretisch ein Physiotherapeut sein, in Zeiten des Fachkräftemangels macht es aber mehr Sinn, eine externe Person dafür einzustellen. Nun ist es aber anhängig von ihrem Arbeiten, wie erfolgreich alles ist. Für den Inhaber ist diese Lösung also eine niedrige Zugangsschwelle, da er keine studierte Fachkraft für die Umsetzung braucht, gleichzeitig ist es schwer zu planen, wie erfolgreich die Umsetzung wird. Für Praxen mit angeschlossenem Trainingsbereich ist das sicherlich einfacher zu gestalten, da sie meist auf größere und besser geeignete Räumlichkeiten zurückgreifen können.

Je nach Bedürfnissen des Patienten/Kunden sind im Mittel fünf Beratungstermine zu planen, wobei das individuell stark variieren kann. Das Erstgespräch dauert zwischen 60 und 90 Minuten, die Folgetermine sind eher mit 30 Minuten zu veranschlagen. Dementsprechend ergibt sich die Kostenstruktur. Pro Stunde sollten zwischen 80 und 120 € veranschlagt werden, je nach Qualifikation und Lage der Praxis. Für den Patienten/Kunden sind das also nicht unerhebliche Kosten.

Außer, es liegt eine medizinische Indikation vor, dann kann die Krankenkasse die Kosten übernehmen, maximal aber bis zu 85 %.

Zusammenarbeit mit der Krankenkasse

Eine weitere etablierte Möglichkeit ist die Umsetzung eines zertifizierten Kurses der Krankenkassen im Rahmen von § 20 SGB V. Für die Durchführung ist, wie bei anderen Präventionskursen auch, nicht die Physiopraxis, sondern ein zertifizierter Kursleiter verantwortlich.

Die Qualifikation des Physiotherapeuten reicht zwar für Kurse in den Bereichen Entspannung, Bewegungsgewohnheiten und Rückentraining aus, nicht aber für das Thema Ernährung. Hier müssen Kursleiter einen Abschluss haben als Diätassistent, Oecotrophologe, Ernährungswissenschaftler (entsprechend den DGE-Zulassungskriterien), Diplom-Ingenieure Ernährungs- und Hygienetechnik, Schwerpunkt „Ernährungstechnik“, Diplom-Ingenieure Ernährung und Versorgungsmanagement, Schwerpunkt „Ernährung“, Bachelor- und Masterabsolventen anderer Studiengänge mit Anerkennung des Studiengangs nach den DGE-Zulassungskriterien oder Ärzte mit gültigem Fortbildungsnachweis gemäß Curriculum Ernährungsmedizin der Bundesärztekammer (BÄK).

Hierfür werden die meisten Physiopraxen eine externe Person mit dieser Qualifikation brauchen. Das Positive an dieser Maßnahme ist, dass die Kosten des Kurses zu einem Teil von den Krankenkassen getragen werden, das entspricht also einem System, das die meisten Patienten schon kennen, und vermittelt dadurch Vertrauen.

Zudem ist keine ärztliche Diagnose für die Inanspruchnahme notwendig. Bei dieser Methode ist die Zugangsschwelle aufgrund des Kursleiters deutlich höher. Für die Patienten hingegen ist der Weg deutlich leichter, da sie das System kennen und nicht die vollen Kosten tragen müssen. Zudem sind hier bereits fertige Kursmaterialien vorhanden, auf die man einfach zurückgreifen kann. Um Ernährungskurse noch mehr Menschen zugänglich machen zu können, gibt es diese auch als Onlinemaßnahme, was durchaus eine spannende Alternative sein kann.

Exkurs Nahrungsergänzungsmittel

Der Markt der Nahrungsergänzungsmittel wächst immer stärker und es kann davon ausgegangen werden, dass hier Nachfragen von Patienten kommen können, die sich dafür interessieren. Im Optimalfall empfiehlt der Therapeut erstmal eine gesunde und ausgewogene Ernährung.

Manchmal kann es durchaus sinnvoll sein mit Nahrungsergänzungsmitteln zu arbeiten. Hierfür sollten die Therapeuten allerdings ausgebildet sein und optimalerweise liegt ein Befund für den Mangel vor. Spannend für ein Profit-Center wird es dann, wenn man selbst Nahrungsergänzungsmittel verkaufen möchte. Das sollte jeder für sich entscheiden – die Margen bei diesen Produkten sind allerdings durchaus interessant. Aber hier nochmal der Hinweis – eine ausgewogene Ernährung stellt die Basis dar – erst dann sollte man über Ergänzungen nachdenken. Auch hier gibt es Ausnahmen wie z. B. ein akuter Vitamin-D-Mangel.

Fazit

Für die Etablierung einer Ernährungsberatung gibt es zwar noch weitere Möglichkeiten, diese sind für die Physiotherapie allerdings weniger interessant. Aufgrund der Zusammenarbeit mit den Krankenkassen und der damit verbundenen Kostenerstattung wird dieses System mehr Patienten/Kunden überzeugen, teilzunehmen und nachhaltig etwas an ihrer Ernährung verändern.

Gleichzeitig kann es durchaus Sinn machen, den Physiotherapeuten die Grundlagen einer gesunden Ernährung zu vermitteln, damit diese wissen, was die Ernährung leisten kann, und dieses Wissen dann weitergeben.
 

Bildquelle Header: © Peter Atkins - stock.adobe.com

Der Autor

  • Jonathan Schneidemesser

    Seit seinem Germanistik-und Philosophie-Studium in Mannheim arbeitet er für das Fachmagazin BODYMEDIA. 2015 übernahm er nach Abschluss seines BWL-Studiums die Chefredaktion für das Magazin. 2017 etablierte er die BODYMEDIA dann mit einem eigenen Magazin im Physio-Bereich. Seine sportliche Erfahrung sammelte vor allem in seiner aktiven Zeit als 800m-Läufer. In seiner Freizeit joggt er durch den Wald oder schwingt Kettlebells.

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