Digitalisierung

„Frauen legen in Fitness-Clubs mehr Wert auf Kommunikationsschnittstellen“

Über 55 % der Mitglieder in deutschen Fitness-Clubs sind weiblich. Und trotzdem kann man den Eindruck gewinnen, dass sich bei der Angebotsauswahl in einem Fitness-Club wenig Gedanken um die Bedürfnisse dieser Zielgruppe gemacht wird. Was sich ändern sollte und was man dafür tun kann, besprechen wir im Interview mit Nico Gumlich, der bei Mrs. Sporty für die Club-Vorverkaufsphasen in der DACH-Region verantwortlich ist.

BODYMEDIA: Aus Ihrer Erfahrung: Was ist Frauen bei ihrem Training besonders wichtig?
Nico Gumlich: Man sollte grundsätzlich davon weggehen zu sagen, dass Frauen auf die eine Weise trainieren sollten und Männer auf die andere. In meiner Tätigkeit als Trainer sowohl in gemischten Fitness-Studios als auch jetzt in meiner Rolle für Mrs.Sporty konnte ich die unterschiedlichsten Eindrücke gewinnen. Beide motiviert die Verbesserung der eigenen Gesundheit, der Fitness und die damit individuellen bedingten Eigenschaften, was jede Person darunter für sich versteht, egal ob Mann oder Frau. Für mich tritt deutlich heraus, dass Frauen mehr Wert auf Kommunikationsschnittstellen im Club legen. Männer legen etwas weniger Augenmerk auf Gespräche mit den Mitarbeitern oder anderen Mitgliedern. Für Frauen ist es wichtig, Teil der Community zu sein, also mitzubekommen, welche Events im Club stattfinden und sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Außerdem ist der Club eine Möglichkeit, um Frauen aus ihrer näheren Umgebung kennenzulernen, also ihr soziales Netzwerk zu erweitern. 

Aber Frauen sind nicht nur zum Quatschen im Fitness-Club, sondern wollen eben auch Ergebnisse erzielen. Das Training muss also effizient sein, damit sie in ihrem immer stressigeren Alltag zwischen Beruf, Kindern und Haushalt Platz dafür finden. Bekannterweise löst Mrs.Sporty das mit 30-minütigen Trainingseinheiten. Wir empfehlen unseren Frauen zwei bis dreimal die Woche zu trainieren. Im Gegensatz zu Männern wünschen sich Frauen mehr Abwechslung. Monotonie ist der Killer für die Motivation und den Spaß. Und auf einen spannenden Punkt würde ich gerne noch eingehen. Die Beziehung zu den Mitarbeitern wird häufig vergessen. Frauen möchten ein ehrliches Interesse an sich durch den Trainer spüren. Diese sollten dann auch dafür sensibilisiert werden, welchen Stellenwert die Kommunikation spielt, und dürfen dann auch mal etwas länger im Gespräch bleiben. Zusammenfassend hat bei Frauen die persönliche Betreuung und der intensivere kommuni-
kative Part einen hohen Stellenwert.  

Was ja immer mehr kommt und was ich auch für sehr sinnvoll halte, sind abgetrennte Frauenbereiche in gemischten Fitness-Clubs. So können Männerdomänen wie z. B. der Freihantelbereich für Frauen attraktiver gemacht werden. 

BODYMEDIA: Sollte man bei einem Trainingsangebot für Frauen rosa Geräte anschaffen?
Nico Gumlich: (lacht) Farben können sicherlich unterstützend sein, sodass die Frauen sich im Studio wohl fühlen. Mrs.Sporty präsentiert sich ja z. B. auch in pink. Ebenfalls ist der Einrichtungsstil modern, die Räume sind besonders hell und die Möbel haben ein einheitliches Design.

Ich denke aber tatsächlich, dass es wichtiger ist, dass die Übungen funktionell sind und der Community-Gedanke erfüllt wird. Dann können die Geräte auch gelb oder blau sein. Viel wichtiger ist die Atmosphäre, die im Club herrscht. 

 

 

Gute Betreuung ist das A und O. Wenn sich weibliche Mitglieder gut betreut fühlen, dann empfehlen sie das Fitness-Studio an Freund(innen)

 

BODYMEDIA: Wie trainieren Frauen denn nun? Trainieren Frauen auch verstärkt mit der Langhantel?
Nico Gumlich: Dass mehr Frauen Langhanteltraining machen, hört man immer wieder. Meine Erfahrung bestätigt das allerdings nur teilweise. Aus meiner Perspektive fragen Frauen viel stärker nach Kurzhanteln von 1‒9 kg oder auch nach Medizinbällen. Trainiert wird also an leichten und mittleren Gewichten. Isolationsübungen an Maschinen sind auch nicht so beliebt. Es dürfen gerne komplexere Bewegungen sein und das gilt auch für den Trainingsplan. Er sollte Abwechslung bieten. 

BODYMEDIA: Aus welchen Gründen melden sich Frauen in reinen Frauen-Clubs an?
Nico Gumlich: Diese Frage traf bei mir ebenfalls auf großes Interesse. Um die Hintergründe zur Beantwortung persönlich kennenzulernen, habe ich einfach nachgefragt, was die Blicke von ihnen bei Frauen auslösen und als Antwort habe ich häufig gehört, dass man in männerdominierten Bereichen zu häufig im Fokus steht und man vielen Blicken ausgesetzt ist. Das hindert dann viele daran, konzentriert ihrem Training nachzugehen. Der Fitness-Club wird nach wie vor häufig als Flirtzone gesehen, dabei sollte meiner Ansicht nach viel mehr das Training im Vordergrund stehen. Wären die männlichen Mitglieder stärker dafür sensibilisiert, was diese Blicke bei den Frauen auslösen können, bin ich mir sicher, dass Frauen noch stärker in diese „Männerbereiche“ gehen würden. Frauen empfinden hierbei ein zu großes Schamgefühl, welches sie vom konzentrierten Training abhält. Ein weiterer Grund liegt darin, dass die Frauen nicht das Gefühl haben, ihre persönlichen Ziele in dem gewünschten Ausmaß erreicht zu haben. Dies liegt z. B. daran, dass das Studiokonzept nicht die speziellen Bedürfnisse von Frauen erfüllt und dadurch die Frauen nicht regelmäßig zum Training kommen.

BODYMEDIA: Wie trainieren die Geschlechter jeweils?
Nico Gumlich: Männer trainieren vor allem, um einen gewissen Muskelanteil zu haben. Sie stellen ihr Training unter ein größeres Wettkampfverhalten. Die Frage, wer der Stärkere ist, beschäftigt sie schon. Sie zeigen Dominanzverhalten. Kurse werden weniger besucht, weil diese das Image haben, dass man da vor allem rumhüpft. Sie werden oft als unwirksam wahrgenommen. Bei Frauen ist die Intensität nicht immer ganz so hoch, sodass man sich noch gut unterhalten kann. Es wird also nicht bis zum bitteren Ende trainiert. Es darf wehtun, aber man sollte sich trotzdem noch wohlfühlen. Gesundheit ist für Frauen ebenfalls ein wichtiger Faktor. Das ist für sie viel wichtiger als ständig maximale Leistung bringen zu wollen. 

 

 

Die Beziehung zu den Mitarbeitern wird häufig vergessen. Frauen möchten ein ehrliches Interesse an sich durch den Trainer spüren 

 

BODYMEDIA: Wie sollte man seinen Club und sein Konzept gestalten, um Frauen anzusprechen?
Nico Gumlich: Wenn man sich der Zielgruppe speziell annehmen möchte, dann muss man sich im Klaren sein, was man Frauen anbieten kann. Ein fester Bestandteil sollten Community-Events sein, um in Kontakt mit anderen Mitgliedern zu kommen. Beim Studiokonzept sollte vor allem auf den Kursbereich geschaut werden und dieser sinnvoll und ansprechend gefüllt werden. Es dürfen auch gerne speziellere Kurse wie Beckenbodentraining oder so sein. Als Betreiber sollte man dann in die aktive Kommunikation mit den Mitgliedern gehen und fragen, was sie sich wünschen und wie es ihnen gefällt. So kann man sich nach und nach einem optimalen Zustand annähern. 

BODYMEDIA: Welchen besonderen Vorteil haben Betreiber, wenn sie sich auf die Zielgruppe Frau konzentrieren?
Nico Gumlich: Die Betreiber haben vor allem den Vorteil, dass sie ihr Studio markttechnisch gegenüber der konstant wachsenden Zielgruppe der Frauen attraktiver machen und dadurch einen höheren Mitgliederbestand erzielen und eine optimierte Penetrationsquote in ihrem Einzugsgebiet erreichen können. Ein Studio, welches nicht genauso intensiv auf die Bedürfniserfüllung von männlichen als auch weiblichen Mitgliedern und Interessenten abzielt, vergibt wirtschaftliche Potenziale im Studio und schränkt die Zukunftsfähigkeit ein. 

Aber besonders wichtig: eine höhere Weiterempfehlungsquote. Wenn ich ein weibliches Mitglied gut betreue und sie sehr zufrieden ist, dann wird sie ihr soziales Netzwerk aktivieren, da Frauen allgemein einen höheren Kommunikationscharakter haben als Männer und dadurch persönliche Empfehlungen schneller und breiter an das soziale Netzwerk weitergetragen werden. Das macht Frauen für die Neukunden-
gewinnung sehr interessant und wird in Zukunft immer wichtiger werden. Es lohnt sich also auf jeden Fall, sich auf die weibliche Zielgruppe zu konzentrieren. 

 

Quelle
Fotos: Marco Baass
 

Der Autor

  • Nikolai Tauscher

    Nikolai Tauscher hat sich seit 1999 auf digitales Marketing in der Fitness- & Gesundheitsbranche spezialisiert. Er ist Geschäftsführer der igroup Internetagentur, mit der er im deutschsprachigen Raum das digitale Marketing von über 450 Clubs betreut. Zudem ist er Referent auf Workshops und Fachkonferenzen sowie Dozent für Informationsdesign an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Darüber hinaus ist er Autor zahlreicher Fachartikel und arbeitete unter anderem am Europäischen Health Club Industry Web & Social Media Report mit.

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