Best Practice

So trotzen Fitnessstudios der Krise

Der Fitnessmarkt wurde in den vergangenen Jahren mit vielen Herausforderungen konfrontiert. Die Schwächen wurden der Fitnessbranche wie ein Spiegel vorgehalten. In diesem Artikel erfahren Sie, wie Sie die aktuelle Herausforderung meistern können und worauf Sie sich und Ihre Mitarbeiter vorbereiten sollten.

Das Wichtigste in Kürze: 

  • Im Moment nehmen Kunden die Preisanpassung sehr gut an
  • Wenn man das Herz des Menschen berührt, muss man sich um den Kopf, also rationale Dinge wie eine Beitragserhöhung oder die Kündigung der Mitgliedschaft, nicht sorgen
  • Unsere Unternehmen brauchen kein Personal, sie brauchen Persönlichkeiten

In den kommenden Monaten werden bei den Ausgaben unserer Kunden Abstriche gemacht. In vier Kategorien werden Menschen darüber entscheiden, ob Ihre Dienstleistung ihr Geld wert ist. Sie werden sich die Frage stellen, ob Sie ein „Must-have“ oder ledigich ein „Nice-to-have“ sind.

Kategorie 1: Der Kunde wird sich die Frage stellen, ob Ihr Produkt für seine persönliche Unversertheit gebraucht wird. „Brauche ich dieses Gut, diese Dienstleistungen wirklich? Ist sie eine absolute Notwendigkeit oder kann ich im Moment darauf verzichten, bis ich sehe, wie sich die wirtschaftliche Situation entwickelt?” Kategorie 2: Liebt der Kunde Ihr Produkt, die Mitarbeiter und kommt gerne zu Ihnen ins Studio? Kategorie 3: „Mag ich dieses Produkt? Ist es ‘ganz ok’?“ Kategorie 4: „Möchte ich dieses Produkt weiterhin“?

Trainer korrigiert Mann beim Training im Fitnessstudio
Bei der Qualität eines Studios geht es schon lange nicht mehr um Angebot und Ausstattung, das ist eine Grundvoraussetzung, um Kundenzuspruch zu erhalten. Es geht um die Qualität der Mitarbeiter (Bildquelle: © Mladen - stock.adobe.com)

Haben Sie es geschafft, in der ersten und zweiten Kategorie eingestuft zu werden, werden Sie Ihre Mitglieder halten können. Sie haben eine sehr starke Priorität im Leben der Mitglieder. Sie haben es geschafft und sind zu einem „Must-have“ geworden. Man kann sich ein Leben ohne Sie nicht vorstellen. Wurde das Mitglied in der Vergangenheit nicht ausreichend wahrgenommen, ist die Gefahr groß, dass Sie in Kategorie drei und vier einsortiert werden und somit keine nachhaltige Bindung vorhanden ist, um das Mitglied zu halten. Hohe Verluste sind vorprogrammiert. Sie sind lediglich ein „Nice-to-have“. Oft frage ich mich, wieso es z. B. keinem auffällt, dass ein Kunde lange nicht mehr beim Training war. Wie kann es sein, dass die Mitarbeiter die wahre Trainingsmotivation und Wünsche der Kunden nicht kennen?

Beitragsanpassung, Kostensenkung und Qualitätsversprechen

Eine Beitragsanpassung ist ein sehr individuelles Thema. Meine Erfahrung ist bisher, dass man, wenn man sich für die Anpassung der Beiträge entscheidet, jetzt zeitnah in die Umsetzung gehen sollte. Im Moment nehmen Kunden die Anpassung sehr gut an. Nur vereinzelt müssen Gespräche mit Kunden geführt werden. Hilfreich sind eine gute Vorbereitung (Mitgliederstamm anschauen), eine vorherige Ankündigung an die Kunden und eine gute Qualifizierung der Mitarbeiter, um sie auf mögliche Beschwerden vorzubereiten. Machen Sie sich im Vorfeld über mögliche Lösungen Gedanken, sodass Ihre Mitarbeiter sofort agieren können.

Achten Sie bei aller nötigen Kostensenkung darauf, Ihrem Qualitätsversprechen treu zu bleiben. Leistung und Qualität reduzieren, aber gleichzeitig die Beiträge erhöhen darf nicht die Philosophie sein. Bei der Preisgestaltung können Sie nicht gewinnen, bei der Ausstattung auch nicht, bei der Schlacht um das billigste Angebot ebenfalls nicht. Gewinnen werden Studios nur durch das aufrichtige Interesse am Mitglied. Das bedeutet also, dass es bei der Qualität schon lange nicht mehr nur um Angebot und Ausstattung geht, das ist eine Grundvoraussetzung, um den Kundenzuspruch zu erhalten. Es geht um die Qualität der Mitarbeiter. Unsere Unternehmen brauchen kein Personal, sie brauchen Persönlichkeiten. Welche Daseinsberechtigung hat der Mitarbeiter, wenn doch schon so viele seiner Aufgaben digital gelöst werden können? Das Verhalten der Mitarbeiter muss krisensicher sein und einen signifikanten Unterschied zu anderen Anbietern machen. Der ehemalige brasilianische Fußballstar Pele sagte: „Mache nicht den Unterschied, sei der Unterschied!“ Können wir das über unsere Mitarbeiter sagen?

Fitness-Trainer schaut lachend trinkendes Mitglied an
Wenn man das Herz des Menschen berührt, muss man sich um den Kopf, also rationale Dinge wie eine Beitragserhöhung oder die Kündigung der Mitgliedschaft, nicht sorgen (Bildquelle: © Mladen - stock.adobe.com)

Wir wissen doch schon so lange: Wenn man das Herz des Menschen berührt, muss man sich um den Kopf, also rationale Dinge wie eine Beitragserhöhung oder die Kündigung der Mitgliedschaft, nicht sorgen. Wie stark sind das Unternehmen und die Mitarbeiter im Bereich Emotionalisierung der Kunden? Sind im alltäglichen, operativen Kundenkontakt konkrete Merkmale definiert, um die Kundenbindung messbar zu erhöhen? Spüren die Mitarbeiter eine bedingungslose Loyalität zum Produkt? Wissen sie, dass das Produkt die Grundvoraussetzung für alles ist, was Menschen in ihrem Leben tun möchten? Sind die Mitarbeiter davon überzeugt, dass nichts im Leben ohne körperliche oder mentale Gesundheit möglich ist? Findet ein Wissenstransfer über diese Erkenntnisse zum Kunden statt? Kommunizieren die Mitarbeiter gehirngerecht in kausalen Zusammenhängen über die absolute Notwendigkeit des Produktes? Sie sehen, es gibt viel zu tun.

Ich bin davon überzeugt, dass Studiobetreiber dieses Mal nicht erneut an die Solidarität der Kunden appellieren können. Das sollten sie auch nicht. Dafür sind unsere Arbeit und das Ergebnis des Produktes viel zu wertvoll. Der Kunde wird nichts den Betreibern zuliebe tun. Es ist keine Entscheidung für oder gegen das Studio. Es ist eine Entscheidung für oder gegen sich selbst. Das sollten Sie Ihren Kunden klarmachen. Sie müssen Ihren Mitarbeitern den Rücken stärken, sie müssen Rückgrat und Verantwortung für den Kunden entwickeln und z. B. eine Kündigung nicht einfach akzeptieren. Sie dürfen es nicht zulassen, dass Kunden bei Ihnen aufhören, weil Sie doch besser als andere wissen, wie sich das Leben dieser Menschen ohne Fitnessstudio entwickeln wird. Das sollte Ihre bzw. unsere Mission sein. Selbstverständlich unabhängig von Krisen, Pandemien und sonstigen Herausforderungen.   

Wohlfühlen als Kundenbindungsfaktor

Gemeinsam mit meinem Kollegen Micha Graupner konnten wir sechs konkrete Faktoren ermitteln, die dazu führen, dass ein Mensch sich bei Ihnen wohlfühlt. Denn in der Vergangenheit wurde der Begriff „wohlfühlen“ sehr schwammig, inflationär und zu oberflächlich verwendet. Natürlich wollen wir alle, dass sich die Kunden bei uns wohlfühlen. Doch was bedeutet dieser Begriff wirklich?

  1. Faktor Sicherheit: Evolutionär bedingt ist es notwendig, dass Menschen ein Gefühl der Sicherheit spüren müssen, damit sie sich in einer Umgebung und dem Miteinander wohlfühlen. Sicherheit können Sie vermitteln, indem Sie z. B. eine einheitliche Teamsprache in der Nutzenkommunikation festlegen. Wenn ein Kunde von allen Beteiligten gleiche Aussagen über ein Produkt oder einen Sachverhalt erhält, erhöht es sein Sicherheitsgefühl. Auch die entsprechende Position und Ausrichtung von Inventar, die Position und Körperhaltung des Trainers zum Kunden spielen hier eine wichtige Rolle.
  2. Faktor Wertschätzung: Der Begriff sagt es schon. Den Wert eines Menschen schätzen, ohne dass dieser eine besondere Leistung erbracht hat. Den Menschen an sich würdigen und schätzen. Herzlichkeit bei der Begrüßung und Verabschiedung, motivierende Worte, die Freude darüber, das Mitglied zu sehen, respektvoller Umgang, ein Miteinander auf Augenhöhe sind hierbei besonders wichtig.
  3. Faktor Anerkennung: Hierbei handelt es sich darum, eine gute Leistung des Mitglieds anzuerkennen. Ihn für die großartigen Fortschritte und sein Durchhaltevermögen zu loben. Ihn zu ermutigen, weiterhin ins Studio zu kommen.
  4. Faktor Vertrauen: Die Gewissheit zu haben, dass man bei Ihnen in den besten Händen ist. Ihre Zuverlässigkeit, die einheitliche Kommunikation. Ein professionelles Konfliktmanagement, welches dem Kunden signalisiert, dass Sie für seine Anliegen da sind, ihm zuhören und stets lösungsorientiert in seinem Interesse handeln, ist ausschlaggebend.
  5. Faktor Zugehörigkeit: In unserer Evolution ist festgeschrieben, dass Menschen nur in Gesellschaft anderer überlebensfähig sind. Alleine zu sein macht auf Dauer krank und ängstlich. So sagt es die Evolution. Trainer sind hier in der Pflicht, Menschen nicht nur an den Kursbereich heranzuführen, sondern auch auf der Trainingsfläche, getreu dem Motto „connecting people“, miteinander in Kontakt zu bringen. Sie bekannt zu machen und ihnen aufzuzeigen, dass hier so viele Menschen mit ähnlichen Anliegen trainieren. Statistisch gesehen trainieren Menschen in einem Netzwerk 1,5 Jahre länger als jemand, der alleine trainiert. Kreieren Sie Events, die das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken, denken Sie an die zweite Kategorie des „Must-have“. Man muss es lieben, zu Ihnen zu kommen.
  6. Faktor Neugier: Wir sollten uns auch kritisch die Frage stellen, warum die Drop-out-Quote nach Erstlaufzeit bei ca. 44 % im Premiumsegment liegt. Eine wichtige Rolle hierbei spielt die Kundenreise und -integration. Wo in Ihrer Kundenreise spielen Sie den Faktor Neugier? Wie wird das Leben des Kunden in Zukunft aussehen? Was erwartet ihn noch bei Ihnen? Sobald es langweilig und routiniert wird, „rutschen“ Sie mit Ihrem Produkt in Kategorie drei: „Es ist ganz ok“ bei Ihnen. 

Diese Voraussetzungen sollten Sie unbedingt schaffen, wenn Sie eine nachhaltige Mitgliederbindung erfolgreich umsetzen möchten. Schauen Sie sich Ihre Prozesse und Vorgehensweise genau an und legen Sie Schnittstellen fest, in denen diese Faktoren eingebaut werden können. Schauen Sie sich das Verhalten und die Kommunikation Ihrer Mitarbeiter an. Zielen diese auf zuvor Genanntes ab?

Merkmale der Kundenbindung – die Selbstreflexion

Mit meinem Kollegen, Yannik Hoenig, haben wir Merkmale zur Kundenbindung identifiziert. Meine Empfehlung ist, folgende Punkte mit Ihren Mitarbeitern zu besprechen, Wissenslücken aufzudecken und konkrete Maßnahmen zu entwickeln, um die Bindung zu Ihren Mitgliedern zu erhöhen.

  • Aufrichtiges Interesse: Die Trainer sind in der Lage, durch gezielte Fragen den wahren Beweggrund des Mitglieds hinter dem Training herauszufinden. Sie zeigen Empathie für seine Situation. 
  • Loben, Anerkennen und Wertschätzen: Die Motivation der Mitglieder spielt im Kundenkontakt eine große Rolle. Die Mitarbeiter loben gezielt auch kleine Erfolge und stärken damit ihre Beziehung zum Mitglied.
  • Leistungs- und Nutzenkommunikation: Die Merkmale und Nutzenargumente aller Clubleistungen sind bekannt und werden im Kundenkontakt regelmäßig weiterempfohlen. Jeder im Studio weiß, wie man das Nutzungsverhalten der Kunden steuert, um eine hohe Bindung zu erzeugen.
  • Notwendigkeit des Kernprodukts: Die Trainer sind in der Lage, die gesundheitliche Notwendigkeit des Trainings zu kommunizieren und Menschen dafür zu begeistern. 
  • Herzlichkeit und Magic Moments: Ideen für Herzlichkeitsmomente werden eingebracht und das Team beteiligt sich aktiv an der Umsetzung.
  • Flächencoaching nach Prioritäten und Zielgruppen: Es wird eine bestimmte Reihenfolge bei der Ansprache der Mitglieder auf der Fläche berücksichtigt. Jeder weiß, wer die Aufmerksamkeit am nötigsten hat. Dabei wird zwischen vier Zielgruppen unterschieden (Wiedereinsteiger, selten Trainierende, Neukunden, Stammkunden). 
  • Animation und Motivation: Das Mitglied erlebt durch das Verhalten des Trainers bzw. der Mitarbeiter  einen Mehrwert bei seinem Trainingsbesuch.
  • Aktive Kundenbindung: Kündigungsindikatoren (z. B. Frage nach Kündigungsfrist, Äußerungen über Preissteigerungen etc.) werden erkannt und das Mitarbeiterteam ist in der Lage, diese zu entkräften. 
  • Beschwerdehandling: Es ist bekannt, welche verbalen und nonverbalen Merkmale notwendig sind, um einen Konflikt oder einen Einwand kundenfreundlich zu lösen. Beschwerden werden als Chance zur Mitgliederbindung angesehen. 
  • Mitbewerbersituation: Der Studiobetreiber kennt die Stärken seines Clubs, allerdings auch die Stärken seiner Mitbewerber und ist in der Lage, diese in einem Kundengespräch zu entkräften. Nur wer den Mitspieler kennt, kann das Spiel gewinnen.

 

Bildquelle Header: © Mladen - stock.adobe.com

Die Autorin

  • Maria Saloustrou

    Neben ihrem Fremdsprachenstudium mit Schwerpunkt Recht und Wirtschaft durchlief Maria Saloustrou ab 2003 alle wichtigen Bereiche in einem international tätigen Fitnessunternehmen (107 Filialen) als Sales- und Retentionmitarbeiterin. 2008 entschloss sie sich, ihre Erfahrung als internationaler Sales- und Retentioncoach in Form von Training on the Job, Coaching und Personalausbildung im Seminarwesen weiterzugeben. Weit über 600 Fitnessunternehmen, jährlich über 1.500 Seminarteilnehmer und Einsätze in Deutschland, Luxemburg, Österreich und der Schweiz verschaffen ihr einen sehr guten Praxisbezug. Sales, Retention, Empfang sowie Rhetorik, Kommunikation, Mitarbeiterführung und die Ausbildung der Newcomer zählen zu ihren Kerngebieten. Maria Saloustrou betreibt fünf eigene Unternehmen im In- und Ausland.

Magazin

BODYMEDIA Fitness 1-2023E-Book lesen

BODYMEDIA Fitness 1-2023

Mehr erfahren