Immer mehr Ältere üben sich an den Geräten. Sie leben zwar nicht länger, sterben aber gesünder, wie man es einem Bericht der Thüringer Zeitung entnehmen kann.
Niemals in ihren fast 73-jährigen Leben hätte man Rita Mehler auf ein Fahrrad bekommen, heißt es dort. Neuerdings aber strampelt sie schon einige Runden auf dem Hometrainer, bevor der Rest ihrer Reha-Gruppe im Fitness-Studio eintrudelt. Ordentlich in Schweiß gekommen wechselt sie dann nach nebenan, wo eine Physiotherapeutin ihren Patienten mit medizinischen Übungen wieder auf die Sprünge hilft. Denn Rita Mehler hat bisher immer Osteoporose-Sport betrieben. Seit sie zwei künstliche Knie hat, kann sie sich auf dieselben nicht mehr niederlassen. Weshalb sie im Oktober zu Reha-Sport wechselte. "Das geht hier besser."
Fitness-Training ist schon lange nicht mehr nur eine Domäne der Jugend. Immer mehr ältere Menschen gesellen sich zu den jungen Körperkultigen, hat Udo Lamster beobachtet. Er betreibt seit 13 Jahren und drei Monaten das Bleicheröder Studio "La fit". Das Einzige in der Stadt. Wegen der mangelnden Konkurrenz hatte der frühere Physiotherapeut eines Bad Lauterberger Hotels seinerzeit seine Zelte in Bleicherode aufgeschlagen. Auch damals schon war der Altersdurchschnitt in der Kleinstadt höher als anderswo.
Was einst wie ein Nachteil schien, erweist sich heute zunehmend als günstig: Immer mehr ältere Menschen finden den Weg ins Fitness-Studio. Und zwar nicht, um Krankheiten zu kurieren, sondern um sich gesund zu erhalten. Der Altersdurchschnitt der Gäste liegt bei 46 Jahren - bei den Männern 40 und bei den Frauen 53 Jahre. Den Durchschnitt der Männer erhöht gewaltig der älteste Studio-Besucher mit 79 Jahren. Eisern trainiert er zwei Mal in der Woche. Er war schon ziemlich weit über 60, als er mit dem Sport begann.
Anfangen kann man in jedem Alter, ist sich Udo Lamster sicher, auch mit 80 noch. Der Trainingsplan wird ohnehin individuell auf jeden abgestimmt. "Niemand kann aus dem Stand seine Belastung von null auf hundert hochfahren", weiß der Fitness-Experte. Jeder Mensch sei zudem anders und müsse demzufolge anders trainieren. Die Intensität sei entscheidend.
Gerade bei den Älteren habe sich in den vergangenen Jahren das Bewusstsein durchgesetzt, etwas für Gesundheit und Wohlbefinden tun zu müssen, meint Lamster. Auch bei jenen, die nie im Leben Sport getrieben haben. Wer rastet, der rostet, haben viele am eigenen Leibe gespürt. "Sie wollen einfach ihre Lebensqualität im Alter verbessern", sagt der Studio-Betreiber. Mit dem regelmäßigen Training stärken sie Herz und Kreislauf, befreien sich von Fettpölsterchen und bringen ihre Blutwerte auf Vordermann. Einer Frau ist es beispielsweise gelungen, dank der Übungen, die drohende Hüftoperation hinauszuschieben. Und statt sich am Stammtisch zu treffen, kommen Männer jetzt oft gemeinsam in der Gruppe zum wöchentlichen Training. Dass seine älteren Gäste insgeheim hoffen, mit dem Sport ihr Leben zu verlängern, hat Udo Lamster noch nicht festgestellt. Zumindest hat niemand diese märchenhaften Vorstellungen zugegeben. "Sie leben zwar nicht länger, sterben aber gesünder", hat ein aus Bleicherode stammender Internist einmal nüchtern bemerkt.
Ein Teil der Gäste kommt, weil es der Arzt verordnet hat. Denn hier wird auch Reha-Sport angeboten. Günstig beeinflussen kann man nämlich alle orthopädischen Gebrechen. Oft gibt es auch Nachbehandlungen infolge einer gerade überstandenen Operation. 30 Prozent seiner Kunden sind Rekonvaleszenten, so Lamster.
Nicht nur für Klienten, die mit dem Fettstoffwechsel Probleme haben, hat der Physiotherapeut heute einen ehemaligen Bleicheröder zu einem Seminar eingeladen, der mit einem ebenso teuren wie seltenen Gerät durch die Lande reist und exakte Messungen vornimmt. Die Energiebereitstellung sei bei jedem Menschen anders, erläutert Lamster. Nicht nur zur Reduzierung der Fettwerte sei es wichtig, exakt zu bestimmen, wie das in jedem Organismus funktioniert. Auf den Ergebnissen fußt auch der Trainingsplan Gesunder.
Für seine 240 ständigen Studio-Mitglieder aber lässt sich Lamster neben dem strengen Training auch immer einmal etwas Lockeres einfallen. So sieht man ihn im Sommer schon mal mit einer Schar stockbewehrter Trainingshosenträger durch die Bleicheröder Berge stapfen. Nordic Walking nennt man das. Von Förstern spöttisch auch Stockenten genannt. Was der Beliebtheit keinen Abbruch tut. Ab und an geht es dann auch auf Radtour bis ins Helbetal. Und danach leisten sich auch die Fitness-Begeisterten aus Bleicherode einmal eine richtig schöne fette Thüringer Bratwurst.