Branchenvertreter beobachten die Fusionswelle bei den gesetzlichen Krankenkassen kritisch. Krankenkassen würden durch "die große Zahl der Elefantenhochzeiten" bald so mächtig werden, dass der Staat sie bei Insolvenz retten müsste, berichtete die Zeitung "Frankfurter Rundschau".
Angesichts der vielen Fusionen unter den Kassen warnten Branchenvertreter daher vor einem Systemkollaps. "Die Fusionen haben viel zu wenig mit gesundheitsökonomischen Zielen zu tun", sagte der Geschäftsführer der Gemeinsamen Vertretung der Innungskrankenkassen (IKK e.V.), Rolf Stuppardt, der "Frankfurter Rundschau". "Ein Ziel bei den Elefantenhochzeiten ist, den politischen Level too big to die zu erreichen". Laut Zeitungsbericht wies Stuppardt mit dieser Anmerkung auf die Banken hin, die vom Staat vor einem Zusammenbruch gerettet werden mussten. Ansonsten hätten diese das gesamte Finanzsystem mit sich in den Abgrund gerissen.
Bei den gesetzlichen Krankenkassen drohe durch die vielen Fusionen ein ähnliches Szenario. "Es geht einzelnen Krankenkassen darum, eine ausreichende Machtfülle zu erreichen, damit im Falle einer Insolvenz der Ruf nach dem Staat erhört wird", kritisierte Stuppardt.
Derweil nehmen Fusionen bei Krankenkassen weiter zu. Nach Angaben des GKV-Spitzenverbandes gab es 2008 noch 221 gesetzliche Krankenkassen. Nach aktuellem Stand (1. Juli 2010) sind es inzwischen noch 163.
Zum Jahresanfang haben beispielweise die beiden großen Krankenkassen Barmer und Gmünder Ersatzkasse (GEK) fusioniert. Zusammen hat das Unternehmen Barmer GEK 8,6 Millionen Versicherte.
Und auch in den kommenden Monaten stehen weitere Großfusionen an: Beispielsweise entsteht in Mitteldeutschland ein neuer Kassengigant. Die AOK Plus für Sachsen und Thüringen und die AOK Hessen wollen zum 1. Januar 2011 fusionieren. Nach eigenen Angaben ist die neue AOK mit 4,2 Millionen Versicherten die viertgrößte Krankenkasse in Deutschland.
Zum 1. Juli haben sich unter anderem die Bank BKK und Neckermann-BKK zur Vereinigten BKK zusammengeschlossen. Auch die IKK Nordrhein und Signal Iduna IKK haben fusioniert. Die neue entstandene Vereinigte IKK hat 1,6 Millionen Versicherte.
Eine Fusion von DAK und BKK Gesundheit ist Anfang August ohne Angaben von Gründen geplatzt. Beide Kassen gelten als wirtschaftlich angeschlagen. Beide Kassen erheben Zusatzbeiträge für ihre Versicherten.
Hunderttausende Versicherte haben den ersten Krankenkassen mit Zusatzbeiträgen den Rücken gekehrt. Im ersten Halbjahr 2010 gab es deutliche Abwanderungen bei den ersten 16 betroffenen gesetzlichen Kassen. Allein die DAK verließen bis 1. Juli rund 241 000 Mitglieder. Marktführer Barmer GEK verzeichnete ein Plus von 69 000 Versicherten, zur Techniker Krankenkasse (TK) wechselten sogar 238 000.
Experten befürchten, dass demnächst eine neue Welle von Kassenwechslern den Markt verändern könnte. Denn die schwarz-gelbe Koalition plant in den Eckpunkten zur Gesundheitsreform, die Zusatzbeiträge in unbegrenzter Höhe zum Normalfall zu machen.