Die Fitnessbranche rückt näher zusammen: Einheitliches Qualitätssiegel und DIN Norm 33961

Qualität hört sich gut an. Doch wer bestimmt, was Qualität ist? Diese Frage beschäftigt die Fitnessbranche schon seit vielen Jahren. In jüngster Zeit scheint es bei diesem Thema (endlich) Fortschritte zu geben. Ein einheitliches Siegel sowie die Gründung eines Normungsausschusses sind erste Anzeichen dafür.

"Zum 1. Juli 2009 hat TÜV Rheinland das Gütesiegel […] "Prae-Fit" übernommen", lautete die Pressemeldung, die, wenn man mal die Historie verfolgt, einen Meilenstein in Richtung Qualitätsstandard setzt. Seit Jahren schon ziehen die meisten der Protagonisten unserer Branche an dem Strang "einheitliche Darstellung von Qualitätskriterien", leider nicht in die gleiche Richtung. RAL, GAB, DPN, WIFF, DVSF usw., schon viele haben sich auf dem Gebiet der flächendeckenden Zertifizierung versucht. Gut gemeinte Ansätze scheiterten zumeist jedoch an der fehlenden Akzeptanz aller Beteiligten in der Branche. Dass die Initiatoren bei ihren Bemühungen oftmals nicht den Blick über den Tellerrand richteten und ihre (persönlich motivierten) Interessen über die der Gemeinschaft stellten, hat – ohne an dieser Stelle näher ins Detail gehen zu wollen – auf der anderen Seite ebenso dazu beigetragen, dass es bei Versuchen geblieben ist.

Als unabhängige dritte Partei gelang es seit 2001 zumindest dem TÜV (von 2001 bis 2003 noch gemeinsam mit der RAL) mit seinem Gütesiegel sowohl innerhalb als auch außerhalb der Branche eine gewisse Seriosität und Anerkennung zu erzielen. Trotzdem wurde Ende 2002 ein weiteres Gütesiegel in den Markt gebracht, initiiert von den Verbänden DSSV, DFAV und DFLV. "Dass zwei Qualitätssiegel für die Fitnessbranche nicht im Interesse der Mehrheit sind, habe ich in vielen Gesprächen mit den Clubinhabern, aber auch von Seiten der Industrie vernommen", erinnert sich Sven Öhrke, bis vor Kurzem noch verantwortlich für die Prüfung von Fitness- und Freizeitanlagen. Deshalb habe er schon 2004 den Dialog mit dem DSSV gesucht, um zu einer Lösung zu kommen. 2007 hat es dann geklappt, nicht zuletzt aufgrund der räumlichen Nähe, denn Öhrke arbeitete zu dieser Zeit in Hamburg.

"Beim Vergleich der Kriterien des Gütesiegels haben wir große Überschneidungen festgestellt", sagt Matthias Lompa, der für die technische Abwicklung beim TÜV in punkto Fitnesssiegel zuständig ist. Nach seinen Aussagen hätten beide Siegel, also Prae-fit und TÜV, jeweils rund 350 Anlagen zertifiziert, wobei es etwas weniger als 50 Clubs gibt, die sogar beide erworben haben.

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Also rund 650 von knapp 6.000 Fitnessanlagen sind im Besitz eines Qualitätszertifikats Prae-fit oder TÜV. Das scheint auf den ersten Blick nicht viel, doch Matthias Lompa sagt auch, dass aktuell maximal 1.200 bis 1.500 Anlagen die Qualität besitzen würden, die Kriterien zu erfüllen. Zurzeit sei man beim TÜV Rheinland dabei, den Kriterienkatalog neu zu überarbeiten. Alle Fitnessclubs, die das Prae-fit-Siegel haben, bleiben zertifiziert. Allerdings müssen sie sich nun jährlich rezertifizieren lassen (vorher alle zwei Jahre).

DIN Norm kommt
Ein weiterer Schritt in Richtung Nachweisbarkeit von Qualität wurde im vergangenen Jahr ebenfalls vom TÜV zuerst getan, die Entwicklung einer DIN Norm für die Fitnessbranche. "Vereinzelte Vertreter aus der Branche haben sofort ihre Mitwirkung zugesagt", erläuterte Matthias Lompa. Schließlich wurde im vergangenen Jahr der Antrag beim Normenausschuss Sport- und Freizeitgeräte gestellt. Unter der Normnummer DIN 33961 hat die zuständige Projektkoordinatorin, Dipl.-Ing. Daniela Rickert, das Normungsvorhaben auf den Weg gebracht. Die DIN-Arbeitsgruppe (NA 112-01-10 AA) hat die angestrebte Norm inhaltlich wie folgt beschrieben:

"Diese Norm legt Anforderungen und Prüfverfahren für Ausstattung und Betrieb von Fitness-Studios fest, die gerätegestütztes, primär präventives Fitnesstraining sowie Unterstützung gesundheitsfördernder Bewegung unter fachlicher Anleitung in speziell dafür vorgesehenen Räumlichkeiten anbieten. Die Norm gilt für Einrichtungen, deren Zugang und Aufsicht speziell vom Eigentümer (Person, die die gesetzliche Verantwortung trägt) geregelt werden. Diese Norm legt keine Anforderungen an stationäre Trainingsgeräte nach DIN EN 957 und Trainingsgeräte zu medizinischen Zwecken fest."

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Was das konkret bedeutet, hat Daniela Rickert noch einmal erläutert: "Die Norm wird Mindestanforderungen an Fitness-Studios festlegen, die die Qualität hinsichtlich Studioausstattung und -betrieb regeln. Es werden darüber hinaus Sicherheitsanforderungen bzgl. Notfallmanagement festgeschrieben. Da die Norm auf konsensorientierter Basis unter Mitwirkung der interessierten Kreise entsteht (Verbraucher, Studiobetreiber, Prüfinstitutionen, Ausbildungsstätten, Versicherer), kann sie als "anerkannter Stand der Technik" als Zertifizierungsgrundlage dienen. Dies wird den Studiobetreibern eine Vergleichbarkeit hinsichtlich der Zertifizierungsangebote bieten."

Zusätzlich würde bei Anwendung der künftigen Norm das Verbrauchervertrauen gestärkt, da "DIN" eine in der Öffentlichkeit anerkannte Institution für technische Regeln ist. Nicht zuletzt würden für die Krankenkassen die Kriterien zur Einbindung von Studios in ihre Programme für präventiven Gesundheitsschutz vereinfacht.

Alle potentiellen Mitglieder wurden nach einer intensiven Recherche durch den Normenausschuss eingeladen, um bei der Entwicklung der Kriterien mitzuwirken. Als Obmann konnte der Ausschuss Paul Eigenmann vom Schweizer Zertifizierer "Qualicert" gewinnen.

"Die Norm ist ein Dokument, das einen offiziellen Charakter hat", erklärt Paul Eigenmann auf Anfrage von Bodymedia. Es sei zwar kein Gesetz, aber es hätte eine ähnliche Wirkung. Als Obmann wird Eigenmann die Sitzungen des Gremiums an der Seite von Daniela Rickert leiten und moderieren. Noch einmal Paul Eigenmann: "Wenn die Norm erstellt ist – ich gehe davon aus, dass das mindestens drei Jahre dauern wird – kann jeder Betroffene erneut mitdiskutieren und wir werden jedes Argument beleuchten."

Etwas unverständlich ist aus Eigenmanns Sicht, dass sich der VDF als einer der beiden großen Verbände der Fitnessbranche aus dem Ausschuss verabschiedet hat. Zu dieser Entscheidung nahm der 2. Vorsitzende des VDF, Ronald Ostermann, in der VDF aktuell vom 5. Februar 2009 dazu Stellung. Hier noch einmal ein Auszug:

Da die DIN-Norm ein Leitfaden ähnlich dem einer Checkliste ist und nicht vergeben wird, wie beispielsweise ein TÜV Siegel, darf künftig jeder Club behaupten ein DIN Club zu sein. Erst wenn dies in Frage gestellt wird, beispielsweise nach einem Unfall, wird aktiv geprüft.

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Was für ein Unfug. Einziger Vorteil: Diese Selbstzertifizierung ist kostenfrei! Sinn kommt erst auf,wenn sich ein Zertifizierer der Vergabe eines DIN Siegels verschreibt und natürlich gegen Gebühr die korrekte Auslegung der Norm überwacht (Beispiel: TÜV-zertifiziertes DIN Norm Studio). Somit ebnet diese Form der freiwilligen Unterwerfung in eine DIN Norm unzähligen, selbsternannten "Zertifizierungshelfern" den Weg, Lizenzierungsgebühren zu erheben und in Konkurrenz zu den bereits bestehenden Produkten zu treten."

Projektkoordinatorin Dipl.-Ing. Daniela Rickert hat das Normungsvorhaben auf den Weg gebracht.

Sven Öhrke (rechts) hat den TÜV verlassen. Seinen Aufgabenbereich teilen sich (von links) Michael Bassin (Vertrieb) und Matthias Lompa (technische Abwicklung).

Der Autor

  • Constantin Wilser

    Constantin Wilser ist seit 2006 in der Fitnessbranche als Redakteur tätig. Davor absolvierte er sein Bachelor-Studium der Sportwissenschaften am KIT in Karlsruhe. Seit 2019 ist er Bestandteil des BODYMEDIA-Redaktionsteams. Seit Anfang 2023 ist er Chefredakteur. In seiner Freizeit trainiert der Fußball-Fan gerne im Studio, geht laufen oder fiebert im Fußball-Stadion mit.